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Presseerklärung SOLWODI NS/SISTERS Ortsgruppe Osnabrück

08. 03. 2021

Presseerklärung zur Diskussion über die Schaffung eines vermehrten Prostitutionsangebotes in Wallenhorst

Osnabrück. Wir, die Vereine SOLWODI und SISTERS, sind bestrebt, Frauen, die in der Prostitution arbeiten, besser zu schützen und dafür zu sorgen, dass ihre Rechte gewahrt werden.

 

Die Erfahrungen aus vielen Jahren Beratungsarbeit haben deutlich gemacht, dass die Frauen in prekären Verhältnissen leben und einem System gegenüberstehen, das ihre schwierige Lage für eigene finanzielle Interessen ausnutzt. Das Prostituiertenschutzgesetz von 2017 hat es nur unzureichend geschafft, die Bedingungen zu verbessern.  Die Erfahrungen in der aufsuchenden Arbeit (Streetwork, Besuche in den Bordellen) haben gezeigt, dass gegen viele Rechte von Frauen verstoßen wird.

 

Die intimsten Körperteile der Frauen werden im Internet auf speziellen Werbeplattformen  „vermarktet“. Häufig werden die Anzeigen ohne Einwilligung der Frauen veröffentlicht und stellen einen Verstoß gegen die Selbstbestimmung dar. Die Prostitution in den Bordellen ist mit einem ganztägigen Aufenthalt verbunden. Ein soziales Leben neben dem „Arbeitsleben“ ist fast unmöglich.

 

In vielen Häusern erleben die Frauen psychische und auch physische Gewalt durch Betreiber und Freier. Der Kunde, der bezahlt, will über eine Dienstleistung bestimmen. Durch diesen „Marktmechanismus“ ist das Selbstbestimmungsrecht der Frauen ausgehebelt.

 

Ist dies die Form von gleichberechtigter Teilhabe von Frauen, die wir als Gesellschaft anstreben?

 

Aktuell kommen die Frauen, die in der Prostitution sind, überwiegend aus osteuropäischen Ländern; sie sind mit dem Wunsch migriert, in Deutschland Geld für sich und ihre Familien zu erarbeiten. Ihre fehlenden Kenntnisse der Sprache, der rechtlichen Situation und der tatsächlichen Verhältnisse machen sie anfällig, Personen zu vertrauen, die ihre Lage ausnutzen.

 

Ein erschwerter Zugang zu Hilfesystemen und Beratungsstellen verschlimmert ihre Situation und verfestigt ihre prekäre Lage häufig über Jahre. Der finanzielle Druck und die Scham über die eigene Tätigkeit haben häufig gesundheitliche Folgen und machen die Frauen anfällig für psychosomatische Krankheitsbilder mit entsprechenden Langzeitfolgen.

 

Erfahrungsgemäß sind die Frauen auch nicht ausreichend über ihre Pflichten als „Selbstständige“ informiert. Die Notwendigkeit, sich in der Krankenversicherung anzumelden und beim Finanzamt eine Steuererklärung abzugeben, hat ihnen niemand erklärt.

 

Im Lockdown haben diese Frauen die Chance bekommen, über eine alternative Arbeit nachzudenken.  Einige von ihnen bekamen Zugang zu Sozialleistungen, zu Sprachkursen und zu beruflicher Qualifizierung und damit zu einem Ausstieg aus der Prostitution. Aber in vielen Gesprächen mit den Frauen hörten wir von psychischen Problemen. Dazu gehören Alpträume, Ängste und Suchtprobleme und sonstige diverse Krankheitsbilder.

 

Wir von SOLWODI wissen aus der Begleitung von Frauen bei ihrem Ausstieg, wie schwer ihre psychischen und physischen Schädigungen sein können und wie schwer der Heilungsprozess für viele ist. Eine Aussteigerin sagte dazu: „Ein Jahr Prostitution braucht fünf Jahre Therapie!“

 

All diese Fehlentwicklungen lassen uns zu dem Schluss kommen, dass eine Gesellschaft vor Ort und deutschlandweit sich mit dem Thema auseinandersetzen muss. So stellen sich z.B. folgende Fragen:

  • Auf welcher Seite stehen wir eigentlich? Stehen wir auf einer Seite mit Bordellbesitzer*innen, Zuhälter*innen oder Manager*innen, also mit denen, die die Mechanismen der Ausbeutung im System der Prostitution kennen, fördern und ausnutzen? Oder sollten wir nicht besser auf der anderen Seite sein, auf der Seite der Frauen, die in diesem System keine Wahl haben? Das sind die Frauen, die aus den armen Ländern Europas und der ganzen Welt auf dem deutschen Sexmarkt gelandet sind, weil sie für sich und ihre Familien Geld verdienen wollen.
  • Wie soll es wirkliche Gleichberechtigung geben, wenn vor allem Männer, aber auch Frauen sich die Benutzung von Körpern für ein paar Scheine kaufen dürfen? Wie sollen wir jemals Respekt von einer Hälfte der Menschheit für die andere erreichen, wenn die eine Hälfte die andere als Sexobjekt kaufen kann?
  • Ist es selbstverständlich, dass in einem Gewerbegebiet neben Handwerks- und Industriebetrieben auch Bordelle stehen, die Frauen als „Ware“ anbieten?

 

Wir meinen: Niemand – weder Männer noch Frauen – hat das Recht, sich einen anderen Menschen für bestimmte Zwecke zu kaufen. Es gibt keine „saubere Prostitution“. Eine Abkehr von diesem Gedanken ist der richtige Weg für eine Gesellschaft, die eine Gleichberechtigung von Mann und Frau anstrebt.

 

Wir sind der Meinung, dass Wallenhorst keine (weiteren) Bordelle braucht.

 

Pressekontakt

SOLWODI Niedersachsen e. V. – Osnabrück –

Felizitas Exner

Martina Niermann

 

SISTERS e. V. – Ortsgruppe Osnabrück ­–

Carolien Schröder

 

Unterstützer*innen:

Als Verbände und Vereine aus Wallenhorst haben wir uns mit Vertreterinnen der Vereine SOLWODI und SISTERS anlässlich der Diskussion um eine mögliche Erweiterung der Prostitutionslandschaft in Wallenhorst ausgetauscht. Aus unserem christlich geprägten Menschen- und Gesellschaftsbild heraus sagen auch wir Nein zu mehr Prostitutionsstätten, sowohl auf unserem Gemeindegebiet als auch in der Region und deutschlandweit. Auf unseren Vereins- und Verbandsebenen werden wir uns für eine Entwicklung in diese Richtung stark machen.

Katholischer deutscher Frauenbund Wallenhorst

kfd Hollage

kfd Rulle

Kath. Landfrauenbewegung Wallenhorst

Kolping Wallenhorst

KAB Hollage

KAB Wallenhorst

 

Bücher

Chronik_SOLWODI

30 Jahre SOLWODI Deutschland 1987 bis 2017 -

30 Jahre Solidarität mit Frauen in Not in Deutschland

 

Autorinnen: Sr. Dr. Lea Ackermann / Dr. Barbara Koelges / Sr. Annemarie Pitzl

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