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Freiwillig?

Betrachtet man die Herkunft und soziale Lage vieler Frauen in der Prostitution, so ist zu fragen, ob man hier von einer freiwillig ausgeübten Tätigkeit sprechen kann, bzw. was der Begriff der Freiwilligkeit in diesem Kontext bedeutet.

 

Viele der betroffenen Frauen unterliegen ökonomischen Zwängen, die nicht selten gepaart sind mit emotionalem Druck aufgrund der Erwartungen der Familie im Herkunftsland. Die Frauen haben jüngere Geschwister oder eigene Kinder, die bei Verwandten leben und denen sie eine gute Zukunft ermöglichen möchten. Manche Frauen wurden mit Versprechungen, als Hausangestellte, Kindermädchen oder Kellnerin arbeiten zu können, nach Deutschland gelockt und müssen, nachdem sich die vermeintlich lukrativen Jobs als Luftnummer herausgestellt haben, hohe „Reisekosten“ abbezahlen. Da sie keinen Beruf und kaum Sprachkenntnisse haben, scheint nur die Prostitution ein Ausweg zu sein, um Geld zu verdienen. Andere Frauen wussten durchaus, dass sie als Prostituierte tätig sein würden. Allerdings erzählen sie oft, dass sie sich nicht hätten vorstellen können, wieviel Gewalt sie erleben würden und wie hoch die psychischen und gesundheitlichen Belastungen seien. Gemeinsam ist all diesen Frauen, dass sie aufgrund einer echten oder gefühlten Alternativlosigkeit heraus, keine andere Möglichkeit als die Prostitution sehen, ihre Familie zu unterstützen. Hier sind umfassende Ausstiegsprogramme unabdingbar, die den Frauen Zugänge zu alternativen Erwerbsmöglichkeiten eröffnen.

Pexels - Jonathan Borb

Emotionale Zwänge werden auch über die sogenannte „Loverboy“-Methode aufgebaut. Männer erschleichen sich das Vertrauen von jungen Frauen und Mädchen, indem sie ihnen die große Liebe versprechen, sie mit teuren Geschenken und einem selbstsicheren Auftreten beeindrucken. Oft sind die Opfer Frauen mit geringem Selbstbewusstsein, die teilweise in ihrer Kindheit bereits Erfahrungen von Missbrauch oder Vernachlässigung gemacht haben. Geschickt erkennen die Männer die psychologischen Bedürfnisse der Frauen nach Aufmerksamkeit, Geborgenheit und einer liebevollen Beziehung und nutzen sie für ihre Zwecke aus. Als seine „seine Prinzessin“ sind die Mädchen bereit, alles zu tun, um seine Zuwendung und vermeintliche Liebe zu bewahren. Irgendwann erzählt er ihr von Geldnöten und Bedrohungen durch kriminelle Banden, denen er Geld schuldet. Nur sie könne ihm jetzt helfen und das müsse sie doch tun, um ihre Liebe zu beweisen. So landet sie in der Prostitution. Ist das noch „freiwillig“?

 

Sicher nicht mehr von Freiwilligkeit sprechen kann man bei Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. Auch hier werden die Betroffenen oft mit der Aussicht auf gute Verdienstmöglichkeiten angeworben und müssen dann hohe „Reiseschulden“ abarbeiten. Das BKA berichtet jährlich von rund 300 Verfahren wegen Menschenhandels, die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen. Mehr zum Thema Menschenhandel lesen Sie hier.

 

Im Zusammenhang mit der Diskussion um die Freiwilligkeit kann man auch fragen, ob es sich bei der Prostitution um einvernehmlichen Sex handelt. Dabei impliziert Einvernehmlichkeit, dass beide Partner die sexuelle Handlung bejahen und gutheißen. Das oft gehörte Argument lautet nun, dass der Mann für den Sex bezahlt und die Frau damit eingewilligt habe, daher sei die Handlung einvernehmlich. Dem lässt sich jedoch entgegenhalten, dass die Frau wohl nicht mit dem Mann Sex gehabt hätte, wenn er nicht bezahlt hätte, d.h. von einem aktiven Wollen oder Bejahung der sexuellen Handlung an sich kann nicht die Rede sein. Vielleicht hat sie sich nur deshalb darauf eingelassen, weil sie das Geld dringend braucht, aber ohne intrinsische Motivation zum Sex mit diesem Mann. Kann man da wirklich von „einvernehmlich“ sprechen?

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Autorinnen: Sr. Dr. Lea Ackermann / Dr. Barbara Koelges / Sr. Annemarie Pitzl

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