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Massive körperliche und psychische Beeinträchtigungen

Sora Shimazaki

Viele Frauen in der Prostitution entwickeln schwere gesundheitliche Probleme, sowohl körperliche als auch psychische. Nur wenige haben eine Krankenversicherung oder können sich eine aufwendige und langwierige Behandlung leisten. Viele sind trotz starker Schmerzen weiterhin in der Prostitution tätig, weil sie Geld verdienen müssen oder von Zuhältern Druck ausgeübt wird. Wollen die Frauen sich bei einer Krankenkasse anmelden, werden oft Beiträge für die Jahre ohne Versicherung nachverlangt. Ohne Unterstützung durch eine Fachberatungsstelle finden sich viele Frauen dann weiterhin ohne Krankenversicherung oder auf einem Berg von Schulden wieder.

Die Frauen sind einem erhöhten Risiko sexuell übertragbarer Krankheiten wie Syphilis, Hepatitis und HIV ausgesetzt. Eine zerstörte Vaginalflora, Einrisse, Verletzungen und Fissuren der Vagina oder des Anus gehören ebenfalls zu den häufigeren Krankheitsbildern. Die Frauenärztin Liane Bissinger berichtet auch von häufigen Blasenentzündungen und Beckenbodenschwäche schon bei sehr jungen Frauen. Schmerzhafte Eileiter-Entzündungen sind keine Seltenheit.

 

In Bordellen können häufig nur ungesunde Fertiggerichte bestellt werden. Frauen auf dem Straßenstrich und in der Beschaffungsprostitution haben oft nicht das Geld für ausreichende und gesunde Nahrungsmittel. Diese schlechte und mangelhafte Ernährungssituation führt zu Magen-Darm-Erkrankungen und anderen Beschwerden. Auch ein häufiges ekelbedingtes Erbrechen kann das Magen-Darm-System nachhaltig schädigen. Frauen, die häufig das Gewicht der Freier auf sich zu ertragen haben, klagen über Schmerzen in den Hüftgelenken und im Rücken.

 

Die oft mangelhafte Hygiene in den Prostitutionsstätten und Schlafstörungen haben zusätzliche negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Frauen. Sie haben in der Regel keinen festen Tag/Nacht-Rhythmus, sind meist nur Kunstlicht ausgesetzt, müssen jederzeit den Freiern zur Verfügung stehen. Viele greifen daher zu Schlafmitteln in hoher Dosierung.

 

Nach einer Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) erfahren Frauen in der Prostitution vielfach Gewalt: 92% erleben sexuelle Belästigungen und 59% sexuelle Gewalt. Zwei Drittel der Frauen wurden schon einmal in der Prostitution vergewaltigt, davon die Hälfte mehr als fünfmal. 87% der Frauen berichten von körperlicher, 82% von psychischer Gewalt.

 

So ist es kein Wunder, dass die betroffenen Frauen in Alkohol, Drogen und Medikamente flüchten, um ihren Alltag zu ertragen. Nicht selten wird der Substanzmissbrauch von Zuhältern gefördert, weil die Frauen so in eine noch größere Abhängigkeit geraten.

 

Viele Frauen dissoziieren während des Geschlechtsakts, d.h. sie stellen sich vor, sie seien an einem ganz anderen Ort und blicken wie von außen auf das Geschehen. Dissoziation wird häufig unbewusst als Schutzmechanismus eingesetzt, wenn Menschen unerträglichen und grausamen Situationen ausgesetzt sind. Lässt die Dissoziation die Lage kurzfristig erträglicher erscheinen, so kann sie langfristig zu einer gestörten Selbstwahrnehmung und mangelnder Identifikation mit dem eigenen Körper führen.

 

Insgesamt sind die psychischen Belastungen und Traumata bei Frauen in der Prostitution sehr hoch. Studien zufolge leidet die Hälfte unter Depressionen, ein Drittel erfährt Angst- und Panikattacken und ein Viertel hatte schon einmal Suizidgedanken.

 

Bei diesen vielfältigen Krankheitsbildern ist es kein Wunder, dass die Sterberate prostituierter Frauen zwölfmal so hoch ist wie die der Durchschnittsbevölkerung. Auch Femizide sind keine Seltenheit in der Prostitution. Zwar werden belastbare Zahlen nicht erhoben, aber laut der privaten Initiative Sexindustry Kills, die Informationen über Femizide in der Prostitution sammelt, wurden seit 2017, d.h. seit dem Inkrafttreten des Prostituiertenschutzgesetzes 40 Morde und Mordversuche an Frauen in der Prostitution gezählt. Die Wahrscheinlichkeit als Prostituierte getötet zu werden, ist 18-40mal höher als im Durchschnitt der Bevölkerung.

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Autorinnen: Sr. Dr. Lea Ackermann / Dr. Barbara Koelges / Sr. Annemarie Pitzl

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