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Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes

Bis 2002 war die Prostitution in Deutschland zwar rechtlich nicht verboten, wurde aber als sittenwidrig eingestuft. Die Städte konnten Sperrgebiete einrichten, in denen die Prostitution verboten war. Mit dem Prostitutionsgesetz (ProstG) von 2002 wurde die Prostitution legalisiert. Den Menschen in der Prostitution sollte der Zugang zu Rente und anderen Sozialleistungen ermöglicht werden, dafür mussten sie auch Steuern zahlen und sich bei den zuständigen Behörden anmelden. Das Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) trat 2017 in Kraft, nachdem die Evaluierung des Prostitutionsgesetzes (ProstG) von 2002 gezeigt hatte, dass zusätzliche Bestimmungen – vor allem zum Schutz der Menschen in der Prostitution – notwendig waren. 2023 hat nun die Evaluation des ProstSchG begonnen, deren Bericht 2025 vorliegen soll. Mit der Evaluation wurde das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (kfn) beauftragt, das bereits die aktualisierte Gesetzgebung zum Menschenhandel evaluiert hatte.

Mikhail Nilov

Das ProstSchG wollte durch die verpflichtende Registrierung und Gesundheitsberatung sicherstellen, dass Betroffene von Menschenhandel und Zwangsprostitution sowie Minderjährige identifiziert und geschützt werden. Das kfn wird zu überprüfen haben, warum die tatsächliche Registrierung so niedrig ist und wie effektiv das Gesetz tatsächlich darin ist, Zwangsstrukturen erkennbar zu machen. Auch der Zugang zu Sozialversicherungen, der mit den beiden Prostitutionsgesetzen ermöglich werden sollte, ist für viele Frauen nach wie vor eine Utopie.

 

Durch eine Kondompflicht und Auflagen für die Betreiber von Prostitutionsstätten sollten die Frauen gesundheitlich und vor Gewalt geschützt werden. Es darf bezweifelt werden, inwiefern diese Maßnahmen wirksam waren. Insbesondere die Kondompflicht wird immer wieder auf Bestreben der Freier verletzt, die entweder mehr Geld für „ohne“ bieten oder den Frauen androhen, sie wegen „Ungehorsams“ bei ihren Zuhältern anzuschwärzen bzw. sie mit schlechten Ratings in den Online-Portalen zu bestrafen.

 

Die Prostitutionsgesetzgebung setzt voraus, dass es „freiwillige“, selbstbestimmte Prostitution gibt. Hier ergibt sich jedoch gleich die Frage, wie Freiwilligkeit definiert wird und wie ökonomische Zwänge (Armutsprostitution), emotionale Abhängigkeiten („Loverboy“-Masche) und körperliche Zwänge (Beschaffungsprostitution) da einzuordnen sind. Die Tatsache, dass ca. 90% der Menschen in der Prostitution eine Migrationsgeschichte haben und aus prekären, oft bildungsfernen Milieus stammen, lässt den Begriff der Freiwilligkeit ins Leere laufen. Viele Frauen sind wegen einer echten oder gefühlten Alternativlosigkeit in der Prostitution.

 

Es gibt offensichtlich nicht genügend Personen, die völlig freiwillig der Prostitution nachgehen wollen. Das System Prostitution funktioniert daher nur, weil Menschen ausgebeutet werden – Menschen, die glauben, keine Alternative zu haben, oder die emotional leicht manipulierbar sind. Somit sind Gewalt, Zwang und Menschenhandel unausweichlich, um immer wieder Menschen der Prostitution neu zuzuführen.

 

Die häufigen Ortswechsel der Menschen in der Prostitution (teilweise alle 2-3 Wochen ein Transfer in eine neue Stadt), um das Bedürfnis der Freier nach Abwechslung zu bedienen, erschwert die Erfassung und Unterstützung durch die Behörden sowie eine Anbindung an Hilfesysteme. Informationsgespräche und gesundheitliche Beratung sind von den Behörden kaum zu leisten, da die entsprechenden Dienste und Mitarbeitenden häufig nicht über die notwendigen Schulungen in trauma- und kultursensibler Beratung sowie Sprachkenntnisse verfügen.

 

Diese Aspekte zeigen, dass die Anfragen an das Gesetz grundsätzlicher Natur und wohl kaum mit einfachen Anpassungen zu heilen sind. Man darf daher auf die Ergebnisse der Evaluierung gespannt sein und hoffen, dass sie zu einem Umdenken in der deutschen Prostitutionspolitik führen.

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