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Die Kinder der Müllhalde „California“

Das SOLWOGIDI Beratungs- und Ausbildungszentrum in Eldoret befindet sich in Langas, dem größten Slum der Region. In Eldoret gibt es etwa 3.000 Straßenkinder, davon sind etwa 1.000 Mädchen, die unter elenden Bedingungen leben müssen. In einer Welt voller Gewalt, Hunger, Krankheit und Not. Die Mitarbeiterinnen von SOLWOGIDI betreuen die Kinder und versuchen sie in verschiedenen Programmen zu integrieren. Ich war während einer Projektbetreuungsreise vor Ort und konnte diesen Einblick in das Leben dieser Kinder und Jugendlichen fotografisch festhalten. Ein Gespräch war mit ihnen kaum möglich, da sie alle durch das Inhalieren von Klebstoff betäubt waren. Ein Tag nach dem Besuch auf der Müllhalde konnte ich ein Mädchen interviewen, die dank der Unterstützung von SOLWOGIDI nicht mehr auf der Straße leben muss. Ich fragte sie, ob ich ihr Fotos zeigen und dazu Fragen stellen darf. Wir vereinbarten, dass sie das Interview jederzeit abbrechen kann und sie mir auch nicht auf jede Frage antworten muss.

 

  • Wie kam es dazu, dass du in „California“ gelebt hast?

„Ich habe ab dem 12. Lebensjahr auf der Straße gelebt. Als mein Vater starb musste ich auf die Straße - meine Mutter starb früher. Ich habe insgesamt 15 Jahre auf der Straße gelebt.“

  • Als erstes Foto zeige ich ihr die Müllhalde und frage, was wir darauf sehen.

„Hier wird Essen von den Hotels der Umgebung ausgeleert und die Kinder holen sich in Eimern alles was sie finden können. Das Essen ist matschig, oft verfault, auf jeden Fall nicht gut. Niemand sollte so etwas essen müssen.“

  • Wie fühlen sich die Kinder, die hier ihr Essen suchen?

„Die Kinder fühlen sich schrecklich. Aber sie haben keine andere Wahl als sich hier das Essen zu suchen, nur so können sie Überleben. Sie kommen aus ganz unterschiedlichen Gegenden, aber wenn sie hier zusammen sind, dann nennen sie sich Brüder und Schwestern. Die Jungen sammeln das Essen in Eimern und viele bringen dann den Mädchen etwas davon mit.“

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  • Was ist in den Flaschen, die die Kinder vor dem Mund tragen?

„In den Flaschen ist Klebstoff von den Schuhherstellern. Wenn das eingeatmet wird fühlt man sich wie betrunken oder als würde man Drogen nehmen, betäubt, anders lässt sich das Leben nicht aushalten. Sie wollen ihre Probleme vergessen, daher schnüffeln sie. Die Welt wird zu einer besseren. Alle die hier leben fangen am Morgen an und können den ganzen Tag nicht mehr aufhören, immer mehr und immer mehr, bis zur Ohnmacht. Sie müssen schnüffeln ansonsten fühlen sie sich krank und bekommen Kopfschmerzen und Übelkeit – das ist dann die Abhängigkeit. Das Liquid mosii (flüssiger Rauch) schmieren sie sich auch manchmal auf die Kleidung. Eine volle Flasche kostet 100 Ksh (1Euro). Das Liquid können sie für kleine Beträge kaufen und kaufen es nacheinander für 10 Ksh. Für das Geld betteln sie auf der Straße. So machen die Händler ein Geschäft mit den Kindern. Jeder sorgt sich um sein eigenes Überleben“

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  • Wo leben die Kinder, wenn sie nicht auf der Müllhalde sind?

„Die Kinder leben und schlafen in „California“, auf all dem Abfall, dem ganzen verfaulten Essen. Jeder Platz hat einen Anführer, auch California. Jeremy mit dem langen Mantel ist der Anführer von California. Er bestimmt über alles, auch darüber, dass du fotografieren durftest. Die Mädchen leben am Fluss und bekommen von den Jungen Essen gebracht.“

  • Werden die Mädchen von den Jungen beschützt?

„Auch wenn sich hier alle „Geschwister“ nennen so sind sie es nicht. Die Mädchen werden nachts überfallen und vergewaltigt… jede Nacht! Es gibt zwei Kategorien von Mädchen. Die „Verheirateten“ haben ihren festen Partner, mit dem sie ein „Zelt“ aus Säcken bauen. Diese fühlen sich sicher und beschützt. Ich war in California auch verheiratet und als ich ging war ich geschieden. Die anderen schlafen im Freien. Sie sind ständig Übergriffen ausgesetzt. Fast alle sind HIV positiv. Sie werden nicht nur von den Straßenjungen vergewaltigt sondern von jedem, der es mag.“

  • Was passiert wenn die Mädchen schwanger werden?

„Viele Mädchen haben Kinder. Sie bekommen ihre Kinder im Krankenhaus. Von NGOs haben sie Krankenhauspässe, sodass sie ihre Kinder dort gebären können. Sie sind aber froh, wenn sie dort wieder wegkommen, dort spüren sie, dass sie nichts wert sind und ihnen wird an allem die Schuld gegeben, sie fühlen sich schlecht. Danach schlafen die Mädchen mit ihren Kindern auf der Straße. Die werden schon als Babys missbraucht und viele sterben. Die Mädchen sterben auch, das interessiert aber niemanden.“

  • Du selbst warst auch eine „California“, wie geht es dir heute?

„Es gibt ein nationales Programm, das für die Kinder nach Verwandten sucht. Ich bin Vollwaise, nun lebe ich bei meiner Tante. Für mich ist es okay, weil ich die meiste Zeit im Center bin und dort eine Ausbildung machen kann. Leah (Sozialarbeiterin im Center) hat mich vermittelt. Meine Tante hat selbst 3 Kinder und lebt vom Wäsche waschen, mich kann sie nicht auch noch gebrauchen. Das Leben ist verschieden, jetzt bin ich clean und immer beschäftigt. Aber wenn ich nicht das Center hätte, dann würde ich lieber wieder auf die Straße gehen.“

Gudrun Angelis

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30 Jahre SOLWODI Deutschland 1987 bis 2017 -

30 Jahre Solidarität mit Frauen in Not in Deutschland

 

Autorinnen: Sr. Dr. Lea Ackermann / Dr. Barbara Koelges / Sr. Annemarie Pitzl

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