Pressekonferenz in den Nordischen Botschaften in Berlin anlässlich des Internationalen Tages gegen Prostitution (5. Oktober 2020)

08. 10. 2020

Bündnis "Nordisches Modell" plädiert für Änderung der Prostitutionsgesetzgebung in Deutschland 

 

Berlin. Die Hilfs- und Frauenorganisationen Terre des femmes, SOLWODI Deutschland und SISTERS haben sich zu einem „Bündnis Nordisches Modell“ formiert. Die drei Organisationen werden sich künftig gemeinsam für das "Nordische Modell" in der Prostitution einsetzen. 

 

„Das seit drei Jahren in Deutschland geltende Prostituiertenschutzgesetz ist gescheitert und hat die Situation der Prostituierten nicht grundlegend verbessert“, bilanzierte Inge Bell, Vorstandsfrau von Terre des Femmes, am Montag in Berlin. Das Bündnis plädierte stattdessen am Internationalen Tag gegen Prostitution für eine Gesetzesänderung in Deutschland hin zum Nordischen Modell. 

 

Schweden war 1999 das erste Land, das mit der Einführung des Sexkaufverbots die Gleichberechtigung der Geschlechter weiter vorangebracht hat. Das Nordische Modell gilt inzwischen in mehreren EU-Ländern wie etwa Frankreich oder Irland und besteht aus vier Elementen: Entkriminalisierung der Frauen in der Prostitution, Kriminalisierung der Sexkäufer und Betreiber, Finanzierung von Programmen für Aussteiger*innen sowie Öffentlichkeits- und Aufklärungskampagnen für einen gesellschaftlichen Bewusstseinswandel. 

 

Der schwedische Botschafter in Deutschland, Per Thöresson, wies den Vorwurf zurück, die Regelung dränge Prostitution in den Untergrund und befördere so Gewalt gegen Frauen. Nach wissenschaftlichen Evaluationen sei das Gegenteil der Fall. „Prostitution ist zurückgegangen und Schweden für Menschenhändler uninteressant geworden“, berichtete Per Thöresson über die Erfolge aus seinem Heimatland. 

 

Annika Kleist von SISTERS gab zu bedenken, dass über 80 Prozent der Frauen, die in Deutschland in der Prostitution sind, aus osteuropäischen Ländern stammen. Sie kämen oft sehr jung und unter falschen Versprechungen hierher.  SOLWODI-Vorsitzende Dr. Maria Decker schilderte die gravierenden psychischen Probleme bei Frauen in der Prostitution, die hochtraumatisiert in die SOLWODI-Beratungsstellen und -Schutzhäuser kommen.   Das Bündnis übte scharfe Kritik an der Umsetzung des aktuellen Prostituiertenschutzgesetzes, etwa in Berlin. Von 400 dortigen Bordellen hätten bis Februar gerade einmal 220 einen Antrag auf Anerkennung gestellt, davon seien bis dato 33 bearbeitet worden.  

 

Unions-Fraktionsvize Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU) sieht das Prostituiertenschutzgesetz als gescheitert an. Sie beklagte "furchtbare Zustände in der Prostitution“ und das Frauenbild, das durch käuflichen Sex vermittelt werde. Der Staat müsse das System der Prostitution als Clan-strukturiert erkennen und sanktionieren. Sowohl der schwedische Botschafter Per Thöresson als auch sein norwegischer Kollege, Petter Ølberg, bestätigten einen Wandel in ihren jeweiligen Gesellschaften. „Das Nordische Modell hat die Rolle der Frau in der Gesellschaft gestärkt. Sexkauf gilt als verpönt.“     

 

 

Bei Rückfragen kontaktieren Sie bitte:  

 

Ruth Müller

Pressereferentin SOLWODI Deutschland e.V. 

Propsteistr. 2

56154 Boppard 

Tel.: 06741-2232

Fax: 06741-2310 

 

Bild zur Meldung: Foto: © Stefan Baumgarth/Bell Media GmbH für SOLWODI Deutschland Personen, jeweils von links nach rechts: Vordere Reihe: Inge Bell, Simone Kleinert (Orgateam Bündnis Nordisches Modell), Anne-marie Schoß (Orgateam Bündnis Nordisches Modell), Mittlere Reihe: Petter Ølberg, Dr. Maria Decker, Annika Kleist, Hintere Reihe: Per Thöresson, Elisabeth Winkelmeier-Becker