Menschenhandelsopfer: SOLWODI fordert kultur- und gendersensible Ausbildung von medizinischem Personal und Dolmetscherinnen

18. 12. 2020

Boppard. Eine gendersensible Begleitung und juristische Unterstützung von weiblichen Opfern von Menschenhandel ist Voraussetzung, damit sich betroffene Frauen öffnen, regenerieren und in eine neue Gesellschaft integrieren können. Zu diesem Ergebnis kamen bei einer Zoomkonferenz zum Abschluss des EU-Projektes ASSIST führende Politikexpertinnen aus Europa, Überlebende von Menschenhandel und spezialisierte Fachberatungsstellen aus fünf EU-Ländern.

 

Für Deutschland nahm die internationale Frauenrechtsorganisation SOLWODI am ASSIST-Projekt teil. Alle Projektpartner*innen betonten, dass bei Menschenhandel Begleitung und Unterstützung individuell auf die betreuende Frau zugeschnitten und auch ihr kultureller Hintergrund berücksichtigt werden müssen.

 

Die gelungenen Integrationsbeispiele der Projektpartner*innen zeigten, dass die praktische Arbeit der Beratungsstellen teilweise viele Jahre in Anspruch nehmen kann, bis eine Klientin sich aufgrund ihrer Traumata vertrauensvoll öffnen und in ein neues Leben starten kann. Die Hürden dorthin sind hoch, aber nicht unüberwindbar: Mit medizinischer und psychologischer Versorgung, Sprachkursen und nach Fort- oder Ausbildungen konnte sich manche der Frauen erfolgreich in den Arbeitsmarkt integrieren.

 

Da Menschenhandel Strukturen organisierter Kriminalität aufweist und über Grenzen hinweg agiert, war im Projekt ein gesamteuropäischer Ansatz notwendig. Die frühere EU-Anti-Menschenhandelskoordinatorin Dr. Myria Vassiliadou forderte, dass noch stärkere Aufklärungsarbeit zu den Hintergründen des Menschenhandels und den Routen der Einreise nach Europa geleistet werden müsse.      

 

Zum Abschluss des zweijährigen EU-Projektes fassten die Projektpartner*innen von daher nicht nur ihre Ergebnisse der praktischen Arbeit in einem Diskussionspapier zusammen, sondern sprachen auch an, was politisch umgesetzt werden muss, um Opfern von Menschenhandel künftig noch effektiver helfen zu können.

 

Bei SOLWODI hatten im vergangenen Jahr 2.619 Frauen aus 112 Ländern Kontakt mit den 19 Beratungsstellen in Deutschland aufgenommen. Über 400 dieser Frauen waren Opfer von Menschenhandel. In Asylverfahren mussten immer mehr der betreuten Klientinnen die Erfahrung machen, dass ihnen nicht geglaubt wird und sie in das Land zurückgeschickt werden, wo sie Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt wurden und ihnen eine Reviktimisierung droht. Für diese Frauen fordert SOLWODI eine Bleibeperspektive in Deutschland, unter Anerkennung ihrer psychologischen Verfassung und der tatsächlichen Lebenssituation in ihrem Heimatland.

 

In der praktischen Arbeit erfährt SOLWODI, dass manche Frauen, die Opfer von Menschenhandel wurden, kein oder kaum Englisch sprechen. Diese Frauen können nicht oder nur unzureichend über ihre Vorgeschichte und erlittenen Traumata berichten. Oftmals werden dann ihre Symptome und Beschwerden von Ärzt*innen falsch gedeutet oder behandelt. Der Zugang zum Gesundheitssystem ist ihnen erschwert, was dazu führen kann, dass Krankheiten und gesundheitliche Beschwerden chronisch werden. Kommt eine Frau in eine spezialisierte Fachberatungsstelle wie SOLWODI, stehen Mitarbeiterinnen vor weiteren Herausforderungen, um Hilfe vermitteln zu können.

 

SOLWODI fordert einen schnelleren Zugang für die Frauen zu möglichst weiblichen und muttersprachlichen Psychologen und Psychiatern, eine verstärkte Ausbildung von Dolmetscherinnen mit einer Spezialisierung im medizinischen Bereich sowie Fortbildungen für Mediziner*innen in interkultureller Kompetenz.

 

Weitere Forderungen zu geschlechtsspezifischer Unterstützung für weibliche Betroffene von Menschenhandel sind im Diskussionspapier BEST-PRACTICE-GRUNDSÄTZE von geschlechtsspezifischer Rechtshilfe und Integrationsunterstützung für drittstaatsangehörige weibliche Betroffene von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung beschrieben.

 

SOLWODI ist auch auf private Spenden angewiesen, um Frauen und ihren Kindern wirksam helfen zu können. Spenden können Sie hier: DE02 5605 1790 0001 1270 00. Vielen Dank!    

 

Pressekontakt/Interviewanfragen:  

 

Ruth Müller

Pressereferentin SOLWODI Deutschland e.V. 

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